Pflegewohngemeinschaft: Außergewöhnliche Belastung

Aufwendungen für die krankheits-, pflege- und behinderungsbedingte Unterbringung in einer Pflegewohngemeinschaft, die dem jeweiligen Landesrecht unterliegt, sind steuermindernd als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger ist schwerbehindert (Grad der Behinderung 100) und pflegebedürftig (Pflegegrad 4). Er wohnte gemeinsam mit anderen pflegebedürftigen Menschen in einer Pflegewohngemeinschaft, deren Errichtung und Unterhaltung dem Wohn- und Teilhabegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen unterfiel. Dort wurde er rund um die Uhr von einem ambulanten Pflegedienst und Ergänzungskräften betreut, gepflegt und hauswirtschaftlich versorgt. Die Aufwendungen für die Unterbringung (Kost und Logis) in der Pflegewohngemeinschaft machte er als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab, da diese Aufwendungen nur bei einer vollstationären Heimunterbringung abzugsfähig seien.

Der BFH stellt klar, dass Aufwendungen für die krankheits- oder pflegebedingte Unterbringung in einer dafür vorgesehenen Einrichtung grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind. Dies gilt nicht nur für Kosten der Unterbringung in einem Heim im Sinne des § 1 HeimG, sondern auch für Kosten der Unterbringung in einer Pflegewohngemeinschaft, die dem jeweiligen Landesrecht unterfällt.

Ausschlaggebend ist allein, dass die Pflegewohngemeinschaft ebenso wie das Heim in erster Linie dem Zweck dient, ältere oder pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderung aufzunehmen und ihnen Wohnraum zu überlassen, in dem die notwendigen Betreuungs-, Pflege- und Versorgungsleistungen erbracht werden. Die Abzugsfähigkeit der Unterbringungskosten hängt nicht davon ab, dass dem Steuerpflichtigen (wie bei der vollstationären Heimunterbringung) Wohnraum und Betreuungsleistungen "aus einer Hand" zur Verfügung gestellt werden. Ausreichend ist, wenn er als (Mit-)Bewohner einer Pflegewohngemeinschaft neben der Wohnraumüberlassung von einem oder mehreren externen (ambulanten) Leistungsanbietern (gemeinschaftlich organisiert) Betreuungs-, Pflege- und Versorgungsleistungen in diesen Räumlichkeiten bezieht.

Allerdings sind die Kosten, auch wenn sie krankheits- oder pflegebedingt anfallen, nur insoweit abzugsfähig, als sie zusätzlich zu den Kosten der normalen Lebensführung anfallen. Deshalb sind die tatsächlich angefallenen Unterbringungskosten um eine sogenannte Haushaltsersparnis zu kürzen. Deren Höhe bestimmt der BFH im Wege der Schätzung nach dem steuerlich abziehbaren Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen. Das waren 8.652 € im Streitjahr 2016.

Quelle:BFH | Urteil | VI R 40/20 | 09-08-2023